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Abt. MM AÄF
Wandbild

„Aus dem Leben des medizinischen Dienstes der Nationalen Volksarmee“ (Grafik-Zyklus von Helmut Maletzke, Greifswald)

Prof. Dr. Günter Jäschke

Die Abteilung Militärmedizin an der Akademie für Ärztliche Fortbildung der DDR

Schriftenreihe „Medizin und Gesellschaft“, Heft 44/45

 

Die Abteilung Militärmedizin an der Akademie für Ärztliche Fortbildung war ab 1974 zunächst mit Oberst Dr. med. Gerhard Schmeißer (der 1979 die Leitung der Abteilung Militärmedizin an der Charité übernahm und dort 1980 zum Ordentlichen Professor berufen wurde) und einer Sekretärin besetzt, zu denen 1975 mit Oberst Dr. med. Ingo Stiegert und 1976 mit Major der Reserve      Dr. med. Siegfried Möpert zwei nachfolgend langjährige Mitarbeiter hinzutraten. Bei der Gründung war im übrigen weitgehend unerwähnt geblieben, dass bereits seit 1967 der damalige Abteilungsleiter im Ministerium für Gesundheitswesen Oberstleutnant         Dr. med. Edgar R. Steiner (der 1988 als Generalmajor der Reserve unter Berufung auf den inzwischen geschaffenen zweiten Lehrstuhl der Abteilung Militärmedizin an die Akademie zurückkehrte) vom Minister für Gesundheitswesen im Einvernehmen mit dem Minister für das Hoch- und Fachschulwesen mit der Wahrnehmung der Leitung eines Lehrstuhls für "Medizinischen Schutz der Bevölkerung" beauftragt worden war und Lehrgänge für Ärzte durchgeführt hatte, ohne dass ein so bezeichneter Lehrstuhl in der offiziellen Struktur des Lehrkörpers erwähnt wurde. Nach den Direktiven des Ministeriums für Nationale Verteidigung, an die die Abteilung Militärmedizin zum damaligen Zeitpunkt gebunden war, hatte diese mit dem Medizinischen Schutz der Bevölkerung bzw. der Zivilverteidigung nichts zu tun.

Nachdem in den Jahren 1974 bis 1976 zunächst die Grundlagen für die Lehrtätigkeit geschaffen wurden und die Mitarbeiter mit Einzelvorträgen in den verschiedensten Bildungsformen der Akademie sowie in Gesundheitseinrichtungen auftraten und um Akzeptanz warben, begann daneben 1977 die Lehrtätigkeit in Form von Lehrgängen über ausgewählte Probleme der Militärmedizin, deren Zahl von 3 pro Jahr (1977 und 1978) bis auf 10 - 13 pro Jahr (ab 1985) - teils von mehrwöchiger Dauer - anstieg.

Mit der 1979 erfolgten Berufung von Oberst Dozent Dr. sc. med. Günter Jäschke (ab 1980 Ordentlicher Professor) zum Abteilungsleiter/Lehrstuhlinhaber wurden das fachliche Profil der Abteilung erweitert, schrittweise die Anzahl der Mitarbeiter bis auf 8 erhöht, an 4 auswärtige Mitarbeiter Lehraufträge erteilt und ein Honorarprofessor (Dr. sc. med. Gerhard Hieke) berufen. Es wurde eingeführt, dass der jeweilige Lehrgangsleiter zu Lehrgangsbeginn eine Erklärung abgab, die beinhaltete, dass er und seine Mitarbeiter aufgrund der internationalen militärpolitischen Lage in diese Funktionen delegiert wurden und sie diese Aufgaben nach bestem Wissen und Gewissen erfüllen werden, obwohl sie statt dessen eine Tätigkeit in der unmittelbaren medizinischen Betreuung bevorzugen würden. Die Mitarbeiter der Abteilung legten in Anbetracht der vorwiegend negativen Emotionen weckenden Lehrstoffes besonders großen Wert auf eine sehr kollegiale Atmosphäre sowie die Gestaltung von Rahmenprogrammen.

Ab 1982, als die Abteilung Militärmedizin ihren Sonderstatus als militärische Dienststelle verlor und die beiden Offiziere der Abteilung in die Reserve versetzt wurden, konnte die Subordination unter den Medizinischen Dienst der NVA gelöst und vermehrt Kontakt zur Zivilverteidigung gesucht werden. Im Übrigen haben sich die Ärzte der Abteilung Militärmedizin immer als Vertreter ihrer Facharztrichtung, also Radiologie, Sozialhygiene, Allgemeinmedizin, verstanden und nicht die Militärmedizin darüber gestellt.

1983/1984 leiteten Äußerungen hochrangiger Politiker, dass es "in einem atomaren Inferno keine Sieger und Besiegten" gäbe, einen verteidigungspolitischen Paradigmenwechsel ein. Dieser hatte unter anderem eine Direktive des Ministerrates der DDR von 1984 zur Folge, in der festgelegt war, dass solche Bildungsinhalte, die Illusionen über den Charakter eines Raketen-Kernwaffen-Krieges erzeugen können, zu streichen sind. Diese grundlegende Richtungsänderung eröffnete für die Abteilung Militärmedizin die Möglichkeit und Notwendigkeit, nicht nur die Lehrinhalte in diesem Sinne zu bereinigen, sondern sich der Katastrophenmedizin verstärkt zuzuwenden und die Zusammenarbeit mit der Zivilverteidigung zu vertiefen, die sich ebenfalls mehr auf den Katastrophenschutz orientierte.

Diese Entwicklung wurde von den führenden Vertretern der Militärmedizin in der NVA nicht gebilligt. Die Abteilungen Militärmedizin sollten auch weiterhin vorrangig der Stärkung des Potentials für die medizinische Sicherstellung der Streitkräfte dienen - da wurde jede Hinwendung zu Katastrophenschutz und Katastrophenmedizin als "ideologische Abweichung" gesehen und bekämpft. So führte noch 1986 eine Publikation aus der Abteilung Militärmedizin der Akademie in einer relativ wenig verbreiteten Zeitschrift der DDR über die Begriffsabgrenzung zwischen Militärmedizin, Katastrophenmedizin und Notfallmedizin1) zu unsachlicher Kritik (bei gleichzeitiger Verhinderung einer öffentlichen wissenschaftlichen Diskussion) und zu Repressalien gegenüber den Autoren. Nur die weitere politische Entwicklung und der Umstand, dass die Hauptkontrahenten auf Seiten der NVA in den Ruhestand versetzt wurden, bewirkte eine Entschärfung des Konflikts. Doch es dauerte noch bis zum 1. Januar 1990, bis es möglich wurde, die Bezeichnung "Abteilung Militärmedizin in "Abteilung Katastrophenmedizin" zu ändern - von wenig sachkundigen Kritikern als Etikettenschwindel bezeichnet - und ungestört zu dieser Thematik zu publizieren. 2 – 4)

Blickt man heute zurück, so mutet es nach den Terroranschlägen in den USA am 11. September 2001, die zu einer weltweiten Aktivierung des Katastrophenschutzes und zur Förderung der Katastrophenmedizin führten, als Ironie der Geschichte an, dass trotz der Bekundung regen Interesses durch die Bundesärztekammer (Besuch des Vizepräsidenten Prof. Dr. Osterwald und des damaligen zuständigen Mitarbeiters und heutigen Professors Dr. Knuth ausschließlich in der Abteilung Katastrophenmedizin am 23.08.1990) und durch die zuständigen Senatsdienststellen in Berlin (ehemals West) offensichtlich kein ernsthafter politischer Wille bestand, die hier vorhandene Kompetenz und Erfahrung für das vereinte Deutschland zu nutzen. So endete die Geschichte der Abteilung Militärmedizin/Katastrophenmedizin - wie die aller Strukturelemente der Akademie - mit deren "Abwicklung" am 31. 12. 1990 und dem Eintritt der Mitarbeiter in den Vorruhestand und die Arbeitslosigkeit, z. T. etwas aufgeschoben durch die sog. Warteschleife, sowie mit Berentung unter Anwendung des sog. Rentenstrafrechts und Versorgungsunrechts, das sich bis heute auswirkt.

 

Bildungsinhalte und Bildungsformen

Die in den Lehrgängen und anderen Bildungsformen von den Mitarbeitern der Abteilung Militärmedizin und Gastreferenten vermittelten Bildungsinhalte waren breit gefächert. Ging es beispielsweise bei den leitenden Musterungsärzten vorwiegend um klinisches Wissen, das zur sicheren Beurteilung der Tauglichkeit und Eignung Wehrpflichtiger notwendig ist, so wurden an in der Funktion tätige und künftige Kreisärzte vor allem Lehrinhalte vermittelt, die sie zur Wahrnehmung der Leitung des Gesundheitswesens im Kreis unter Katastrophenbedingungen und im Verteidigungsfall befähigen sollten. Wichtige Elemente der Lehre waren dabei Simulationen außergewöhnlicher Situationen, die in Gestalt von Kartenübungen, am Lehrmodell oder aber in praktischen Übungen im Ausbildungsgelände von Einrichtungen der Zivilverteidigung stattfanden. Als "Model/kreis" diente häufig der Kreis Pirna mit seinem in etwa zehnjährigen Abständen wiederkehrenden Hochwasser der Gottleuba", aber auch mit angenommenen Großschadensereignissen in den Industriebetrieben in Pirna und Heidenau.

Auch die Lehrgänge für vorgesehene Leiter der Abteilungen für medizinische Hilfe und andere Spezialformationen und Einrichtungen des Gesundheitswesens enthielten viele Übungselemente. Deren Durchführung verhalf in zunehmendem Maße zu der Erkenntnis, dass die Aufstellung dieser Einheiten und die Herstellung ihrer Funktionsfähigkeit für den Katastrophenfall viel zu lange dauert und ihre Strukturen dafür nicht geeignet sind. Vielmehr bedurfte es für die Katastrophenbewältigung der Förderung der Notfallmedizin und der weiteren Qualifizierung des Systems der Schnellen medizinischen Hilfe (SMH) mit der Möglichkeit der Verstärkung aus tätigen Einrichtungen des Gesundheitswesens. Insofern gestalteten sich solche Übungen und bzw. auch Erprobungen zu Elementen der angewandten Forschung.

In denjenigen Lehrgängen, an denen Weiterbildungsleiter aller Ebenen, darunter Hochschullehrer, Vorsitzende und Mitglieder Zentraler und Bezirksfachkommissionen sowie Leiter von Gruppenhospitationen teilnahmen, standen die "Militärmedizinischen Bildungsanforderungen" für die Weiterbildung zum Facharzt/Fachzahnarzt im Mittelpunkt. Ab 1978 lauteten diese folgendermaßen:

"Die "Ärzte und Zahnärzte sollen ihre im Studium erworbenen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten soweit vervollkommnen und vertiefen, dass sie in der Lage sind, Aufgaben der medizinischen Sicherstellung im Katastrophenfall und im Rahmen der sozialistischen Landesverteidigung zu erfüllen. Das erforderliche Wissen wird durch Selbststudium unter Anleitung des Weiterbildungsleiters und in obligatorischen Lehrgängen erworben. "

Weiter wurden für alle Fachrichtungen gemeinsam für das 1. und 2. Weiterbildungsjahr allgemeine militärmedizinische Bildungsanforderungen festgelegt:

"1. Grundsätze der Organisation und Taktik des medizinischen Dienstes und der Organisation des medizinischen Schutzes der Bevölkerung bei Katastrophenfällen und im Kriege ...

2. Grundsätze der hygienisch - antiepidemischen Sicherstellung der Truppen und der Bevölkerung im Kriege ...

 3. Grundsätze der materiell-medizinischen Sicherstellung ...

4. Maßnahmen der ersten ärztlichen Hilfe bei Gefechtsschädigungen wie Schädigungen durch konventionelle Waffen, mechanische und thermische Traumen und Schädigungen durch Massenvernichtungsmittel. "

Für das 3. bis 5. Weiterbildungsjahr galten spezielle militärmedizinische Bildungsanforderungen für die einzelnen Fachrichtungen, die integrativ zu vermitteln waren. 6)

Selbst wenn diese Bildungsanforderungen, die 1986 im Hinblick auf den Katastrophenschutz akzentuiert wurden, aus heutiger Sicht plakativ anmuten, so enthielten sie doch wesentliche Bestandteile, die für den Arzt bei der Bewältigung außergewöhnlicher Situationen nützlich sind. Darüber waren sich alle Beteiligten weitgehend einig. Das Problem bestand vielmehr darin, dass in vielen Fällen die Hochschulabsolventen ab 1981 bessere Kenntnisse besaßen als ihre Weiterbildungsleiter, weshalb es dringend erforderlich war, die Wissensvermittlung an die Lehrstuhlinhaber aller medizinischen Lehrgebiete - hier zunächst vorrangig der eigenen Akademie - aber auf Bitten des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen auch der Universitäten und Medizinischen Akademien, an die Vorsitzenden und Mitglieder der Zentralen Fachkommissionen und Bezirksfachkommissionen und die Weiterbildungsleiter zu organisieren und diesen dabei ihre Verantwortung deutlich zu machen. Das war ein schwieriger Prozess, bei dem auch Ressentiments, die u. a. durch administrative Maßnahmen, z. B. Delegierung zu den Lehrgängen, und deren politisch-ideologische Motivierung gefördert worden waren, abgebaut werden mussten.

Auch der Medizinische Dienst des Verkehrswesens, der· Sportmedizinische Dienst und das Gesundheitswesen Wismut wurden bei Qualifizierungsmaßnahmen für ihre Ärzte unterstützt. In Lehrgängen anderer Lehrstühle der Akademie konnten einzelne Lehrveranstaltungen und ganze Bildungskomplexe gestaltet werden. Deren fachlich bedeutsamster und umfangreichster war der Bildungskomplex "Medizinische Sicherstellung der Landesverteidigung" im Rahmen des sechs- bis siebenmonatigen Direktstudiums für die Kreisarztfunktion ab 1983, der sich in einen Abschnitt in Berlin und einen weiteren am Institut der Zivilverteidigung in Beeskow gliederte.

Die von der Abteilung Militärmedizin der Akademie organisierten Lehrgänge sowie die sehr heterogenen Einzelveranstaltungen sind der Tabelle zu entnehmen (Tabelle 1).

Tabelle 1: Ausgewählte Lehrveranstaltungen der Abteilung Militärmedizin

tab1

Diese umfangreichen Aufgaben konnten von der Abteilung Militärmedizin nur in enger Kooperation mit Partnereinrichtungen gelöst werden, wobei der Anteil von Gastreferenten je nach Lehrgangsinhalt sehr unterschiedlich war. Insbesondere bei den Lehrgängen mit einer starken Betonung des Aspekts der Zivilverteidigung konnte die ausgezeichnete Lehrbasis des Instituts der Zivilverteidigung in Beeskow und der Bezirksschule der Zivilverteidigung in Berlin-Buch genutzt werden, d.h. die Lehrgänge fanden dort statt, und es standen auch einzelne Referenten aus dem Lehrpersonal dieser Einrichtungen zur Verfügung. Bei anderen Lehrgängen der Abteilung Militärmedizin der Akademie in Berlin oder Ziegenhals, z. B. für leitende Musterungsärzte, traten zahlreiche Referenten aus der Militärmedizinischen Akademie Bad Saarow und der Militärmedizinischen Sektion an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald auf.

Vom Beginn der Lehrgänge 1977 bis Anfang 1990 haben nahezu 4000 Teilnehmer eine entsprechende Qualifizierung erhalten. Sie waren - mehr oder weniger - befähigt, in ihrem Wirkungsbereich als "Multiplikatoren" aufzutreten. Bereits bis 1984 war es gelungen, an jeder medizinischen Hochschuleinrichtung einen Stamm von etwa 20 Professoren und Dozenten und an jeder der 15 Bezirksakademien des Gesundheits- und Sozialwesens ein Lektorenkollektiv aufzubauen, die dort die entsprechenden Bildungsinhalte vermittelten bzw. in ihrem Fachgebiet an die vermittelten militärmedizinischen Bildungsinhalte anknüpfen konnten.

Wissenschaftliche Arbeit, Forschung

Eine eigene Forschungsbasis besaß die Abteilung Militärmedizin nicht. Um dennoch einen für eine seriöse wissenschaftliche Arbeit unabdingbaren Anteil an Forschung zu erbringen, wurden einerseits Forschungsthemen, die von Mitarbeitern der Abteilung in früherer Tätigkeit bearbeitet worden waren, fortgeführt (Jäschke: Gesundheitszustand junger Männer; Stiegert: Anthropometrie), andererseits angewandte Forschung auf dem Gebiet des Katastrophenschutzes und der Katastrophenmedizin betrieben (Möpert) und zunehmend profilbestimmend ausgebaut. Als nützlich und fruchtbringend erwies sich die internationale Kooperation mit Partnerlehrstühlen in Moskau, Sofia und Budapest (darüber hinaus bestanden weniger intensive Kontakte zu Institutionen in Prag und Warschau). Im Rahmen dieser Zusammenarbeit wurden bilaterale und multilaterale wissenschaftliche Symposion (Berlin 14. Juni 1985; Moskau 5.-6. Dezember 1989) veranstaltet, Katastrophenschutzübungen in den Partnerländern gegenseitig besucht und ausgewertet, sowie die Resultate auf nationalen und internationalen wissenschaftlichen Veranstaltungen vorgetragen, u. a. auf dem 4. Kongress der Gesellschaft für Militärmedizin der DDR vom 22.-25. September 1987 in Karl-Marx-Stadt, auf dem neben den Mitarbeitern der Abteilung auch mehrere Vertreter von Partnerlehrstühlen mit viel beachteten Beiträgen auftraten 7) und auf den regelmäßigen (öffentlichen) Wissenschaftlichen Nachmittagen· der Abteilung, die u. a. mehrmals gemeinsam mit der Regionalgesellschaft Berlin der Gesellschaft für Militärmedizin der DDR und 1987 mit der DDR-Sektion der IPPNW gestaltet wurden. Impulse für die eigene Arbeit brachten auch die Teilnahme am Internationalen Kongress für Katastrophenschutz und Katastrophenmedizin in Havanna vom 26.-31. Januar 1987 und an Internationalen Kongressen über Katastrophenmedizin in Piestany im Oktober 1989, in Stockholm im Mai 1990 und in Moskau vom 21.-25. Mai 1990, auf dem erste Kontakte zu Katastrophenmedizinern aus westlichen Staaten geknüpft und z. B. ein Vortrag eines US-amerikanischen Militärarztes über die Katastrophe bei der Flugschau auf dem US-Luftwaffenstützpunkt in Ramstein/BRD auf einer Wissenschaftlichen Veranstaltung der Abteilung vereinbart worden war, zu dem es infolge der Auflösung der Akademie nicht mehr kam.

In der kurzen Zeit des Bestehens der Abteilung Militärmedizin/Katastrophenmedizin wurde von deren Mitarbeitern Hilfe und wissenschaftliche Anleitung für 3 Arzte bei erfolgreich abgeschlossenen Promotionsverfahren B (Habilitation) und in 26 Promotionsverfahren A geleistet. Die Verteidigung und Verleihung der akademischen Grade erfolgte teils an der eigenen Akademie, teils an den militärmedizinischen Hochschuleinrichtungen (vorwiegend für betreute Militärärzte im aktiven Dienst) sowie in einem Fall an der Medizinischen Akademie Erfurt.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass auch mit einem Abstand von 12 Jahren die Tätigkeit der Abteilung Militärmedizin/Katastrophenmedizin nicht als nutzlos anzusehen ist, wurden doch Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt, die auch heute von den Ärzten abgefordert werden, deren Erwerb aber weitaus schwieriger zu realisieren ist. Die damals, wie heute angewandten ideologischen "Motivierungshilfen" erscheinen bei einer verantwortungsbewussten ärztlichen Tätigkeit entbehrlich.

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1) Jäschke, G. und Möpert, S.: Zur Begriffsabgrenzung Militärmedizin/Katastrophenmedizin/Notfallmedizin sowie Massenunfall/Massenanfall Verletzter und ihrer Anwendung in der Aus-, Weiter- und Fortbildung medizinischer Hochschulkader, DDR-Med.-Rep., Berlin, 15 (1986) 8, S. 451 - 457

2) Jäschke, G. und Röding, H.: Katastrophenmedizin - eine neue Wissenschaft oder nur ein neuer Name? Z. ärztl, Fortbild., Jena, 84 (1990) 22, S. 1135 -1136

3) Steiner, E. R. und Domres, 8.: Methodologischer - Ansatz für eine wissenschaftssystematische Charakteristik der Katastrophenmedizin, Notfallvorsorge und zivile Verteidigung, Bonn, 22 (1991) 1, S. 32 - 40 (nach Auflösung der Akademie für Ärztliche Fortbildung erschienen)

4) Jäschke, G.: Katastrophenschutz und Katastrophenmedizin, Notfallvorsorge und zivile Verteidigung, Bonn, 22 (1991) 4, S. 47 - 50 (nach Auflösung der Akademie für Ärztliche Fortbildung erschienen)

5) Nach Fertigstellung des Manuskripts für diesen Abschnitt ereignete sich im August 2002 das sog. Jahrhundert-Hochwasser in Sachsen und Sachsen-Anhalt. Die daraus gezogenen Schlussfolgerungen und erhobenen Forderungen erinnern sehr an die Realität des Katastrophenschutzes der DDR, der 1990 aus politischen Gründen aufgelöst und dessen Lagerbestande an Rettungsmitteln und Hilfsgütern verschleudert wurden.

6) Weiterbildung zum Facharzt, Dokumente Band 3, Hrsg.: Ministerium für Gesundheitswesen und Akademie für Ärztliche Fortbildung der DDR, ohne Jahresangabe, S. 63-68

7) Zschr. Militärmed., Berlin, 29 (1988) 2, S. 50 -12

 

Vermittlung militärmedizinischer Kenntnisse

Günter Jäschke

Nachdem sich in den 60er Jahren die "politische Großwetterlage" verschlechtert hatte und die Sowjetunion und die Westmächte sich gegenseitig bezichtigten, die Spannungen im Kalten Krieg zu verschärfen und das Wettrüsten zu forcieren (was bekanntlich später bis zu einer Stationierung kernwaffenbestückter Mittelstreckenraketen auf den Territorien beider deutscher Staaten führte), wurden im gesellschaftlichen Leben der DDR die Orientierungen und Anstrengungen für einen eventuellen Verteidigungsfall verstärkt - darunter auch im gesamten Bildungswesen (heute als "Militarisierung des Bildungswesens der DDR" apostrophiert). Diese reichten von der Wehrerziehung in den Schulen über die vormilitärische Ausbildung der Studenten bis zu Maßnahmen der Erwachsenenbildung, wie z. B. die Aufnahme von Themen zum medizinischen Schutz der Bevölkerung in die obligatorische periphere Fortbildung der Ärzte, Zahnärzte und Apotheker sowie des mittleren medizinischen Personals.

Das zum 1. September 1969 eingeführte Ausbildungs- und Erziehungsprogramm für das Studium der Medizin erwähnte erstmalig Maßnahmen für die medizinische Sicherstellung der Landesverteidigung, die in der Folgezeit präzisiert und erweitert wurden. Ab 1. September 1976 waren darin Vorlesungen im Lehrgebiet Militärmedizin enthalten. Außerdem wurde im Rahmen der bereits eingeführten Ableistung von Reservistenwehrdienst für alle männlichen wehrdiensttauglichen Studenten mit dem Ziel ihrer Heranbildung zum Reserveoffizier eine Sonderform für die Studenten der Medizin vorgesehen. Auf diese Weise sollten die Medizinstudenten zu Reserveoffizieren des Medizinischen Dienstes I künftigen Militärärzten der Reserve herangebildet· werden. Das entsprach weitgehend dem Modell der Heranbildung von Reservisten des medizinischen Dienstes der Streitkräfte in der Sowjetunion. Parallel dazu sollte auch eine Spezialisierung der Zivilverteidigungsausbildung der weiblichen und wehrdienstuntauglichen männlichen Studierenden der Medizin erfolgen. Auch sie sollten nunmehr kein "allgemeines", sondern ein "Medizinisches Zivilverteidigungspraktikum" (MZVP) ableisten.

Auf dem Gebiet der Weiterbildung hatte die 1974 erlassene Facharzt-/Fachzahnarztordnung erstmals "Militärmedizinische Bildungsanforderungen" verpflichtend vorgegeben. Diese wurden in der Fassung der Anordnung vom 11.08.1978 und erneut 1986 präzisiert. Auch für Apotheker wurden später ähnliche Bildungsanforderungen eingeführt.

Schließlich sollten auch leitende Ärzte im Rahmen der funktionsbezogenen Fortbildung mit speziellen Fragen der medizinischen Sicherstellung der Landesverteidigung vertraut gemacht werden. 1)

Für all diese Bildungsaufgaben fehlten im Prinzip die fachlichen und personellen Voraussetzungen, weil bis zu jenem Umschwung in der Orientierung auf die Landesverteidigung die außer- ordentliche Betonung der Friedenspolitik der DDR im öffentlichen Bewusstsein dazu geführt hatte, dass alles Militärische weitgehend abgelehnt wurde und sich außerhalb der Streitkräfte der DDR nur ein sehr kleiner Personenkreis mit militärischen - darunter militärmedizinischen - Fragen befasst hatte. Auch der Bereich der Zivilverteidigung war in der DDR bis Ende der 60er Jahre deutlich hinter dem der Sowjetunion zurückgeblieben. Inwieweit direkte sowjetische Forderungen die Schaffung von Strukturen zur Vermittlung militärmedizinischer Kenntnisse sowie von Kenntnissen über den Schutz der Bevölkerung im Rahmen der Zivilverteidigung beeinflussten, konnte der Autor nicht ermitteln.

Nach der ursprünglichen Konzeption für die Schaffung der personellen Voraussetzungen sollten an der Akademie für Ärztliche Fortbildung, an den 6 Bereichen Medizin der Universitäten und an den 3 Medizinischen Akademien ,,Abteilungen Militärmedizin" mit Lehrstuhl als militärische Dienststellen gebildet werden. Für die Lehrtätigkeit sollten aktive Offiziere/Militärärzte freigestellt und durch die zentralen medizinischen Einrichtungen der NVA dafür qualifiziert werden.

Eine herausgehobene Rolle war der Abteilung Militärmedizin an der Akademie für Ärztliche Fortbildung zugedacht - sie sollte nicht allein die militärmedizinische Weiter- und Fortbildung im Gesundheitswesen der DDR koordinieren und - soweit möglich - selbst gestalten, sondern auch unterstützend gegenüber den Abteilungen Militärmedizin im Hochschulwesen tätig werden. Deshalb wurde sie auch als erste im Jahre 1974 gebildet, während die entsprechenden Abteilungen an den Universitäten und Medizini-schen Akademien schrittweise bis 1979 gegründet wurden. Dabei erscheint bemerkenswert, dass nur bei der Erstgründung - der Abteilung Militärmedizin an der Akademie für Ärztli- che. Fortbildung - die Konzeption realisiert wurde, dieser den Status einer militärischen Dienststelle zu geben und damit eine enge Bindung an die NVA zu sichern.

Im Hochschulwesen dagegen wurden neben den bereits existierenden militärischen Lehreinrichtungen zur Heranbildung von sehr spezialisierten Offizieren der NVA, wie u. a. der Sektion Militärisches Transport- und Nachrichtenwesen an der Hochschule für Verkehrswesen Friedrich List" Dresden und der Militärmedizinischen Sektion an der Ernst-Moritz- Arndt-Universität Greifswald, keine weiteren militärischen Dienststelleninstalliert. Die Abteilungen Militärmedizin bekamen also im Hochschulwesen keinen Sonderstatus gegenüber allen anderen Strukturelementen der Universitäten und Medizinischen Akademien.

Diese Änderung führte dazu, dass sowohl die personellen Vorstellungen der maßgeblichen Stellen der NVA zur Besetzung der Lehrstühle, als auch die Absicht der engen Bindung an Vorgaben und Lehrinhalte aus dem Medizinischen Dienst der NVA, die vordergründig auf die medizinische Sicherstellung der Streitkräfte ausgerichtet waren, nicht in der ursprünglich konzipierten Weise realisiert wurden. Ebenso reduzierte sich infolge der unterschiedlichen ministeriellen. Zuständigkeit (Gesundheitswesen versus Hoch- und Fachschulwesen) die der Abteilung Militärmedizin an der Akademie für Ärztliche Fortbildung zugedachte Unterstützungsfunktion gegenüber den Abteilungen Militärmedizin an den Universitäten und Medizinischen Akademien auf eine kollegiale Zusammenarbeit und Pflege des Erfahrungsaustausches.

 

Die Vorlesungen und Seminare im Lehrgebiet Militärmedizin in den Grundstudienrichtungen Medizin und Stomatologie wurden - an den einzelnen Hochschulen unterschiedlich - zwischen 1975 und 1979 aufgenommen. Die nunmehr als "Militärmedizinische Qualifizierung" bezeichneten, mit militärmedizinischen Bildungsanteilen (die vorwiegend durch Lehrkräfte der Abteilungen Militärmedizin zu bestreiten waren) angereicherten Reservistenlehrgänge für Medizinstudenten fanden ab dem Studienjahr 1979/80 an der für die Reservistenausbildung im Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen geschaffenen Ausbildungseinrichtung in Seelingstädt bei Gera statt. Das "Medizinische Zivilverteidigungspraktikum", für dessen Organisation nicht die Abteilung Militärmedizin, sondern die Abteilung Zivilverteidigung an der Hochschule zuständig war, wurde ebenfalls erstmals 1979/80 im 10. Semester (5. Studienjahr) am jeweiligen Ort der Hoch- schule durchgeführt. Damit traten 1981 die ersten Absolventen des Medizin- und Stomatologiestudiums mit entsprechenden militärmedizinischen Kenntnissen ihre Weiterbildung zum Facharzt 1 Fachzahnarzt an.

 

1) Schmeißer, G. und Jäschke, G.: Militär- medizinische Anforderungen an die Aus- und
Weiterbildung von Ärzten und Zahnärzten, in: Arzt und sozialistische Landesverteidigung,
Schriftenreihe der Militärmedizinischen Akademie, Heft 2, Bad Saarow 1985, S. 95-150

 

 

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